Marco Klingbeil: Es gibt keine Probleme, nur Lösungen

Interview mit Marco Klingbeil (GER), unser Mann für die Zeitmessung in der Schweiz.

Interview & Text: Jenny Commons, Marco Klingbeil



Lieber Marco, vielen Dank, dass du mein heutiger Interview-Partner bist, für das Projekt «Distanzreitsport.ch».

Die Schweizer Distanzreiter/innen, auf nationalem Niveau, kennen dich vor allem von deinem Einsatz als Zeitmessung für EOL (enduranceonline.it). Wie kamst du dazu, eine Zusammenarbeit mit Fabio Zuccolo, Inhaber von EOL, zu starten?

So richtig kennen gelernt habe ich Fabio 2018 auf unseren beiden Veranstaltungen in Babenhausen, wo wir ihn für die Zeitmessung angefordert hatten. Natürlich war uns das System aber schon von einigen anderen Veranstaltungen im Ausland bekannt. Durch den Wechsel des Veranstaltungsortes im Herbst 2018 nach Buch hatten wir bei den Veranstaltungen 2019 wenig Starter und mussten die Zeitmessung händisch durchführen. Im Frühjahr 2020 kam Fabio auf uns zu und fragte mich, ob ich nicht Interesse hätte, die Zeitmessung in Deutschland zu machen. Nach kurzem Überlegen wurde das notwendigste Equipment beschafft und mit der Zeitmessung in Deutschland begonnen. Im Jahr 2020 machte ich nur die Veranstaltungen von uns selbst, ab 2021 übernahm ich weitere nationale und internationale Veranstaltungen in Deutschland und seit 2022 findet man mich regelmäßig in der Schweiz 😉.


Als Zeitnehmer für EOL hast du schon einige Länder bereisen können, wo warst du inzwischen überall mit EOL anzutreffen?

Neben meinen regelmäßigen Einsätzen in der Schweiz und in Deutschland, war ich selbst schon in der Türkei und Tschechin. Im April 2025 bin ich das erste Mal in Belgien für die Zeitmessung unterwegs. Zusammen mit Fabio war ich auch noch in dem einen oder anderen Land unterwegs. Unter anderem in Butheeb (UAE) zum Pre-Ride für die WM, sowie dann auch zur WM2022 dort. Die EM2023 habe ich ebenfalls in Ermelo (Holland) mitbetreut und bin seit 2023 fester Bestandteil des Teams für die Veranstaltungen in Al Ula (Saudi-Arabien).



Gab es an einem Anlass schon Mal spezielle technische Hürden (z.B. kein Netzempfang, zu weite Distanzen für Kabel, zu schlechtes Wetter für das Equipment…) und wie habt ihr das gelöst?

Ganz nach meinem Motto «Es gibt keine Probleme, nur Lösungen» gehe ich auch an meine Veranstaltungen ran. Durch die große Flexibilität, die ich in meinem System habe, kann ich schnell auf alles reagieren. Sollten die Kabel mal nicht reichen, wird dies mit Funkgeräten gelöst. Selbst bei schlechtem Wetter gibt es immer eine Lösung. So sind wir beispielsweise bei starkem Regen mit dem Laptop im Auto gesessen. Ich hatte außerdem schon den Fall, dass sich Ameisen in meiner Netzwerktechnik über den Tag hin eingenistet haben und dort mit ihrer Säure die Elektronik zerstört haben. Zum Glück war dies damals in Buch und ich hatte schnell ein Ersatzteil von Zuhause zur Hand. Mittlerweile habe ich diese Technik in wasserdichten Boxen verbaut.


Was für Herausforderungen gibt es, wenn du mit dem Equipment für die Zeitmessung aus Deutschland anreist?

Prinzipiell gibt es hier keine Schwierigkeit. Lediglich der Zoll stellt mich jedes Jahr vor neuen Herausforderungen. Die Beantragung des Carnet ATA ist immer wieder ein neues Abenteuer und je nach Zollbeamten ist man hier schneller fertig oder packt alles zur Überprüfung aus. Bisher hatte ich zum Glück an der Grenze zur Schweiz noch keine größeren Probleme.


Während du diese Fragen schriftlich beantwortest, sitzt du gerade an einem Flughafen auf dem Heimweg von Al-‘Ula (Saudi-Arabien), wo du für EOL vor Ort warst. Wie sehen an einem solchen Grossanlass deine (Arbeits-)Tage aus? 

Der erste Teil meiner Al Ula Reise beginnt mit einer 24 Stunden Anreise, bevor ich dann das restliche Team in Al Ula treffe. Freitags wird das Equipment für Arrival, Start, Vet-Out und Finish hergerichtet und aufgebaut. Anschließend wird dies überprüft. Das Wichtigste hierbei sind die Transponder und die entsprechenden Messeinrichtungen, aber auch die Tablets und die GPS-Sender müssen natürlich auf Funktion geprüft werden. Am Nachmittag findet die Voruntersuchung statt. Am Ritttag bin ich schon zwei Stunden vor dem ersten Start am Gelände, um wieder alles herzurichten und aufzubauen. Das erste Vet-Gate ist jedes Mal das aufregendste: funktioniert alles, kommt jeder Schreiber klar und vor allem, wie viele Pferde kommen gleichzeitig rein? Dank der Anzahl von zwölf Vet-Lines gibt es hier auch bei Mengen von 20 – 30 Pferden kaum lange Wartezeiten. Ich selbst stehe den ganzen Tag im Vet-Gate und habe den Puls der einzelnen Pferde auf der Leinwand im Blick: Haben wir irgendwo High-Puls, ist noch genug Recovery-Zeit übrig, um ein zweites Mal vorzustellen oder müssen wir gleich das Messgerät wechseln? Außerdem prüfe ich ständig die einzelnen Lines und schaue, dass alles reibungslos funktioniert. Zusätzlich verfolge ich die Vet-Kommission, um bei einer Eliminierung schnell reagieren zu können, um dem restlichen Team mitzuteilen, dass Transponder und GPS wieder eingesammelt werden können. Am Ende des Tages wird wieder alles abgebaut, Transponder und GPS auf Vollständigkeit geprüft und dann alles wieder zurück ins Lager gebracht. Nach einem anstrengendem Ritttag geht es dann in die wohlverdiente Nachtruhe, um am nächsten Tag die mindesten 14-stündige Heimreise anzutreten. Je nach Flugplan kann sich die Heimreise aber auch auf zwei Tage ausdehnen.


Diejenigen, die den Distanzreitsport auch über die Schweizer Landesgrenze hinaus kennen, wissen, dass du aber noch viel mehr mit dem Distanzreitsport zu tun hast. Die Familie Klingbeil, sowie das ganze Team rundherum, ist eine Distanzreiter-Familie wie sie im Buch(e) steht. In den letzten Jahren habt ihr jeweils zwei Mal pro Jahr den CEI in Buch (Deutschland) organisiert, zuvor auch in Babenhausen, Illertissen und Weissenhorn. Eure Anlässe werden immer auch gerne von Schweizer/innen besucht. Was sind so die typischen Herausforderungen, wenn man einen CEI in Deutschland organisiert?

So direkt kann ich dies gar nicht beantworten. Natürlich ist jede Veranstaltung eine Herausforderung für uns, da die Hauptarbeit innerhalb der Familie und dadurch nur auf sehr wenigen Schultern verteilt ist. Aber auch wir haben ein kleines Helferteam, welches uns zum Glück beim Auf- & Abbau und während der Veranstaltung immer zur Seite steht. 

Speziell für Deutschland würde ich jetzt mal unsere Tempotrichter an den Straßenübergängen nennen, aber auch die Genehmigung der Rittstrecke durch die Wälder und Felder muss natürlich bei den einzelnen Behörden genehmigt werden. Ansonsten haben wir durch unsere jahrelange Erfahrung schon einiges erlebt und durchgestanden.



Du hast deine Mutter Ursula, deine Frau Jule und deine Schwägerin Merle schon oft an internationale Ritte und Championate als Groom (Crew/Trosser) begleitet. Welches Championat bleibt dir hier am meisten in Erinnerung und wieso?

Die Frage ist gar nicht so einfach, da wir schon viele schöne Championate zusammen erlebt haben. Ich könnte hier mehrere Stunden erzählen und viele Seiten füllen. Angefangen von unserem ersten Championat 2005 in Dubai, über die EM 2007 in Portugal und der Junioren EM 2012 in Belgien, die Bronzemedaille für Jule und Merle und das Deutschen Team 2019 in Euston Park, aber auch die Bronzemedaille meiner Mutter mit dem Deutschen Team 2023 auf der EM in Ermelo darf man nicht vergessen. Jedes Championat hat seine eigene schöne Geschichte, aber meine absolute Lieblingsgeschichte ist auf der WM 2016 in Samorin entstanden. Wochenlang hat die gesamte Crew auf dem Reitplatz die Abläufe geübt, wer steht wo, welcher Handgriff muss wie und wann geschehen usw. Selbst vor Ort wurde alles bis ins kleinste Detail nochmal geübt und besprochen. Auch der Ablauf in der aufgebauten Cooling-Area wurde geprobt. Jeder wusste, wer wo an welchem Punkt zu stehen hat, welches der beiden Pferde in welche Gasse einbiegt usw.… Und dann kam es, das erste Vetgate. Alle waren auf ihren Positionen, aufgeregt und gespannt, ob alles gleich wie im Training zuvor ablaufen wird. So kamen unsere Reiter und tauschten unerwartet plötzlich die Positionen der Pferde. Es war nur noch ein lautes «Seitenwechsel» zu hören und in wenigen Sekunden hatten alle 8 Crewmitglieder, wie durch Zauberei die Seiten gewechselt und standen wieder beim richtigen Pferd an der richtigen Stelle. Bis heute ist uns allen noch unklar, wie dies gehen konnte. Man munkelt, dass wir teilweise unter den Pferden durch gewechselt haben.



Welche Fähigkeit braucht ein guter Groom deiner Meinung nach?

Meiner Ansicht nach braucht ein guter Groom ein dickes Fell. Auf einem Wettkampf geht es oft hektisch und rau zu, dies muss man abkönnen, ansonsten stößt man schnell an seine Grenzen.

Außerdem muss der Umgang mit dem Pferd gegeben sein, man sollte schon einigermaßen wissen wo, wie und wann am besten gekühlt werden kann und wie man ein Pferd verwöhnt. Aber auch etwas Kraft ist nötig, dass viele Equipment trägt sich leider bisher noch nicht von allein vom Anhänger in die Crewing-Area und wieder zurück 😉.



Was gefällt dir besonders gut am Distanzreiten?

Besonders gut ist die Vielfalt. Kein Rennen ist wie das andere und man sieht viele neue Orte auf der Welt, welche man vielleicht so nie bereist hätte. Aber auch der Umgang mit den Tieren ist etwas, was das Distanzreiten so einzigartig macht.


Reitest du selbst auch und hast du auch schon an Distanzritten teilgenommen?

Ich selbst habe mit 14 Jahren aufgehört zu Reiten, zu diesem Zeitpunkt war Distanzreiten noch nicht so ein Thema bei uns und wir waren eher auf Wanderritten und Schleppjagden unterwegs. Die eine oder andere Jagd bin ich mit meiner Knabstrupper-Stute Peggy auch mitgeritten.


2022 kam euer Sohn Ben und 2024 eure Tochter Marie zur Welt. Was meinst du, wird das die nächste Generation der Klingbeil-Distanzreiter? :-)

Ich nehme es mal sehr schwer an. Ben sitzt seit einigen Wochen schon im Sattel und freut sich sehr, wenn wir mit ihm an der Hand im Schritt und etwas Trab spazieren gehen. Marie zeigt auch schon großes Interesse. Ich hoffe ja, dass mich zumindest einer von beiden mal in der Zeitmessung unterstützen wird 😉.


Wenn du mal nicht von Distanzreitern umgeben bist: was machst du beruflich und in deiner Freizeit?

Dies kommt eigentlich nie vor, da ich ja drei Distanzreiter im Haus habe 😉. Beruflich bin ich als Maschinenbautechniker bei einem privaten Energieversorger in unserer Region gelandet und bin hier für die Planung des Netzausbaus der Fernwärme/Fernkälte verantwortlich. Die Freizeit verbringe ich viel mit der Familie auf dem Hof und erledige die anfallenden Arbeiten. Abends genieße ich gerne mal die Zeit mit meiner Frau auf dem Sofa vor dem Fernseher bei einer schönen Serie oder widme mich meinen Hobbies Motorrad fahren, Motorbootfahren und Computerspielen.



Als Abschluss-Frage, eine Frage, die ich allen Interview-Partnern stelle: «Was wünschst du dem (Schweizer) Distanzreitsport für die Zukunft?»

Ich wünsche dem Schweizer Distanzsport, dass er sich weiterhin so positiv entwickelt und wächst. Dazu gehören viele motivierte Veranstalter mit einem engagierten Team, gute Reiter und Reiterinnen mit entsprechenden Pferden und viele Menschen, die all dies unterstützen.


Vielen Dank Marco, für deine Antworten und dass du dir die Zeit genommen hast!

Nicht dafür Jenny! Wenn, dann habe ich zu Danken, dass du mich als Interviewpartner ausgesucht hast. Ich habe mir gerne die Zeit genommen, um die Fragen zu beantworten.